Samstag, 13. April 2013

Thoughts on - ‚Neue‘ Rechtschreibreform


Ich bin Autor. Kein Michael Crichton, aber dennoch Autor. Ich schreibe als Hobby und ich verdiene einen Teil meines Geldes damit. Und für meinen Hauptberuf muss ich auch immer wieder originelle Texte verfassen. Auch wenn das dabei nicht offensichtlich die Hauptaufgabe ist.
Ich kann also sagen, dass ich mich sehr viel und häufig mit dem geschriebenen Wort auseinandersetzen muss. Und darüber hinaus bin ich ein mehr als eifriger Leser und unterhalte mich auch noch gern. Ich mag die Mittel der Sprache und benutze sie.

Als Autor und Leser komme ich daher auch in Berührung mit Fehlern, und wie ich zum Thema Rechtschreibung stehe, habe ich ja schon in einem Post dargelegt. Abe heute geht es nicht um dieses allgemeine Thema, sondern um die dritte und neueste Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996.
Und darum, wie die Leute damit umgehen.

Ich bin in den 80er und Anfang der 90er in die Schule gegangen. Ich war gewissermaßen gerade fertig und noch extrem grün hinter den Ohren, als die Reform offiziell in Kraft trat. Und natürlich passte sie mir ganz und gar nicht.
Man gewöhnt sich nicht umsonst zwanzig Jahre lang an die Schreibweise von Hämorrhoiden und akzeptiert irgendwann zähneknirschend, dass es halt so geschrieben wird, um das dann über Bord zu werfen.
Aber auf der anderen Seite hat die Reform auf jeden Fall auch gute Seiten gehabt und einige übermäßig komplexe Sachverhalte vereinfacht. Was bitter nötig war und auch noch ein wenig umfangreicher hätte ausfallen dürfen.

Ich sagte in den 90er gerne, dass mir die neue Rechtschreibung den Buckel runterrutschen könne. Und ich meinte das damals auch so. Aber ich habe auch erst so richtig mit dem Schreiben angefangen, als sie zehn Jahre in der Vergangenheit lag.
Und seitdem habe ich mich damit abgefunden und schreibe, wie man es nach der Rechtschreibreform erwarten darf. Mit einigen Marotten aus meiner Jugend und einigen Worten, die schon vor der Reform ganz einfach nicht korrekt waren.
Als Beispiel sei hier Reflektion genannt, das eigentlich Reflexion geschrieben werden soll. Aber es kommt von reflektieren und nicht von Reflex. Also was soll das ‚x‘ darin, dafuq?!

Anyway… Ich akzeptiere die Reform der RS nach fast zwanzig Jahren, die sie in Kraft ist. Und ich respektiere, dass meine Oma mit ihren beinahe 90 sie nicht akzeptieren wird, weil sie schon vor der Reform sechzig Jahre lang geschrieben hat. Da muss man nicht unbedingt für den Lebensabend noch einmal umdenken. Kann man, muss man aber nicht.
Aber all die anderen Spacken, die mir damit kommen, dass sie die ‚neue‘ Rechtschreibung nicht akzeptieren, kann ich nur mit einem Stirnrunzeln bedenken. Denn die sind eben nicht
> beinahe 90, sondern manchmal noch jünger als ich.

Wo ist das Problem damit, nach beinahe zwanzig Jahren die grundlegenden Veränderungen und Vereinfachungen mal in den Kopf bekommen zu haben?
Die neue deutsche Rechtschreibung ist jetzt so alt, dass sie nächstes Jahr volljährig wird. Und sie hat sich in der Zeit nur makulat weiter verändert. Wenn man sie mit einem Kind vergleicht, ist sie ein ziemlich einfacher Filius, oder?
Ich frage mich, wie die Leute, die auch heute noch auf die ‚alte‘ Rechtschreibung pochen, wohl erklären würden, dass sie ihren siebzehnjährigen Nachwuchs noch windeln und mit Babybrei füttern.

Das ist doch was anderes?
Nein, dafuq! Ist es eben nicht!

Das Leben besteht aus Gelegenheiten zur Anpassung. Und wer sich nicht anpasst, geht unter. Wer sich völlig einer neuen Technologie verweigert, hat nur selten das Glück, dass diese Technik sich nicht durchsetzt. Er oder sie steht eher zehn oder zwanzig Jahre später dumm da, wenn plötzlich VHS-Video vom Markt verschwindet und es nur noch DVDs und deren Nachfolger gibt. Steht wie Ochs vorm Berg da und weiß nicht, wie damit nun umgehen.
Sicher muss man nicht auf jeden Trend aufspringen. Aber aus manchen Trends werden unausweichliche Aspekte des Lebens. Und wenn man die verpasst, ist man plötzlich hilflos. Und wird - ganz ehrlich nicht zu Unrecht - als einfältig betrachtet.

Für mich sind nicht die Neonazis, sondern diese Fortschrittsverweigerer die wirklich ewig Gestrigen.
Leute, die nach fucking zweieinhalb Jahrzehnten noch immer von den ‚neuen‘ Bundesländern und der ehemaligen DDR sprechen. Oder Leute, die es nach anderthalb Jahrzehnten noch immer nicht auf die Kette kriegen, dass wir eine andere Währung haben und alles in D-Mark Preisen ausdrücken müssen.
Oder eben Leute, die nach fast zwanzig Jahren mit der leicht veränderten Rechtschreibung noch immer die paar Kleinigkeiten nicht auf der Kette haben wollen, die sich verändert haben.

Get over it!
Die Welt verändert sich. Es gibt kein Jugoslawien und keine Sowjetunion mehr. China ist nicht mehr das Hinterland der Russen, sondern die Wirtschaftsnation der Zukunft. Immobilien können eine Fehlinvestition sein, wenn sie zum Spekulationsobjekt werden. Und Währungen, Landesgrenzen oder Sprache verändern sich, fucking damnit.
Und das ist verflucht noch mal auch gut so. Denn ohne Veränderung wären wir alle wandelnde Leichen. Veränderungen sind gut. Sie halten den Kopf fit. Auch wenn sie manchmal so schnell aufeinanderfolgen, dass man nicht alle in vollem Umfang verstehen kann.
Aber sie sind Teil des Lebens.

Ich kann nur die Augen verdrehen, wenn mir jemand mit Sprüchen wie ‚aber nicht nach der alten Rechtschreibung‘ kommt. Oder bei Diskussionen unter Autoren über das Thema immer fein ausgeklammert wird, dass man sich zwar um die Form Gedanken machen muss, aber es akzeptabel sei, die neue Rechtschreibung nicht zu verwenden.
Es ist almost friggin twenty years her, dass sie Reform eingeführt wurde. Und die Änderungen passen in ein kleines Buch zur ‚neuen‘ Rechtschreibung. Selbst bei einer Seite dieses Buches pro Woche wäre es schon lange durchgearbeitet. Mehrfach!

In Wahrheit ist diese Aussage in meinen Augen eine Ausrede.
Es geht darum, sich nicht weiterbilden zu müssen. Die Leute, von denen es kommt, machen nämlich reihenweise Fehler, die auch nach der alten RS schon falsch waren. Und es sind meist die gleichen Leute, die sich auch zu D-Mark Zeiten schon über jeden Preis aufgeregt haben.
Es geht um Faulheit, Lethargie und Bequemlichkeit. Und das ist in meinen Augen inakzeptabel. Ich will nämlich nicht langsam verblöden, weil mein Gehirn niemals mehr was Neues lernt. Und nur so bleibt es fit.

Es ist schön, mal in der Vergangenheit zu schwelgen. Vor allem, wenn meine eine hat. So wie ich es mittlerweile ja durchaus behaupten kann.
Und früher war wirklich einiges einfacher. Vor allem aber liegt es hinter mir, weswegen es allein schon vom Gehirn als besser betrachtet wird. Ich muss mich nämlich nur daran erinnern, kann die schlechten Dinge dabei vergessen und muss keine neuen Bahnen im Hirn anlegen, um damit klarzukommen.
Aber was vor uns liegt, ist ebenfalls aufregend und toll. Und es hält den Denkapparat auf Trab. Zudem ist es möglich, wie mir beispielsweise die Oma meiner Gefährtin beweist, die mit einem Tablet-PC fast besser umgehen kann, als ich. Und sie ist über 90!

DDR, D-Mark und alte RS sind tot. Was danach kam, mag nicht unbedingt besser sein, aber es ist ganz einfach das, was wir haben. Wir sind kein geteiltes Land mehr, haben den Euro und schreiben einige Worte nun, wie man sie spricht. Und das kann keine Sturheit ändern.
Das einzige, was dieses faule Beharren auf alten Begriffen und Gewohnheiten beweist, ist die eigene Unbeweglichkeit. Und damit letztlich die Einfältigkeit.
Denk mal drüber nach, wie dämlich es jemandem vorkommen muss, der nur die neue RS beherrscht, dass einige alte Säcke dauernd irgendwas falsch schreiben müssen. Und diese Leute wurden Anfang der 90er geboren und treten genau jetzt ins Berufsleben.

Sie haben weder die DDR erlebt, noch die D-Mark sonderlich bewusst wahrgenommen noch haben sie je mit der alten RS arbeiten müssen. Und sie sind völlig im Recht, wenn sie dich komisch anstarren, weil du weiterhin auf dem Schnee von gestern beharrst.
Also get over it und wende dich der Zukunft zu, anstatt in der Vergangenheit zu leben.

In diesem Sinne…
Haste mal ne Mark? ;-D

3 Kommentare:

  1. "Das Leben besteht aus Gelegenheiten zur Anpassung. Und wer sich nicht anpasst, geht unter. "

    Mein lieber Kojote, das Leben besteht genausogut auch aus unzähligen Gelegenheiten zur Verweigerung. Und nein, Verweigerer gehen nicht unter. Im Gegenteil: sie bleiben sich treu. Sie folgen ihrer Seele und dem Ausdruck dahinter. Es ist ausgesprochen deutsch, diese Verweigerungshaltung, wie überhaupt ausgeprägter Individualismus, für Dummheit und Rückständigkeit zu halten.

    Lassen sie die Leute ihren Weg gehen. Als der Neue Markt hoch kam, waren die Anpasser volle Pulle drin, und Leute wie Kosztolany hielt man für ewiggestrig, weil er von einem "Zockermarkt" sprach. Letztendlich hatte er aber Recht. Manchmal bringt es durchaus was, konservativ und unbeweglich zu sein.

    Für die Verweigerungshaltung gegenüber der Neuen Deutschen Rechtschreibung gibt es einen ziemlich guten Grund: sie war Mist, sie ist immer noch Mist, und ihre Einführung war alles andere als eine Sternstunde der Demokratie. Sie mögen diese Gründe für kindisch halten, so wie man Kriegsdienstverweigerer früher für Feiglinge hielt. Die Kinder von heute sind aber auch DAMIT aufgewachsen, und das addiert sich zu ihrer Politikverdrossenheit dazu. Zudem ist die Verweigerung der neuen Rechtschteibung noch eine relativ harmlose Form der Verweigerung. Sie erzeugt höchstens ein bisschen Chaos. Aber das haben wir auch mal dringend nötig.

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  2. Ich bin nicht deiner Meinung, lieber Doc.
    Btw... Freut mich, dass du her gefunden hast. ;-D

    Ich spreche auch gar nicht von typisch deutsch. Das Phänomen, bei Gewohntem bleiben zu wollen und sich Neuerungen eher zu verweigern, ist menschlich. Und es macht auch Sinn, solange das Bewährte auch weiterhin zeitgemäß ist. Aber genau da liegt in unserer Welt das Problem. Die Dinge entwickeln sich zu schnell, als dass Lethargie noch ein Erfolgsrezept sein könnte.

    Es geht auch nicht darum, alles was neu ist, gleich hochzujubeln. Es geht um Offenheit gegenüber Neuerungen.
    Die alte Rechtschreibung war nicht optimal. DIe neue ist es auch nicht. Aber sie versucht, sich etwas zeitgemäßer zu gestalten. Und das ist gut so.
    So oder so ist sie aber jetzt die Regel. Und wer sich dem verweigert, verhält sich wie ein Deutscher, der sich auf Malle weigert zu akzeptieren, dass die Landessprache Spanisch ist.

    Dieses Baby ist jetzt bald zwanzig Jahre alt und auch wenn es nicht optimal ist, wird es langsam Zeit, sich dieser Regelung anzupassen. Protest und einen Versuch der Änderung hätte man vor anderthalb Jahrzehnten durchboxen können. Jetzt ist es ein wenig spät dafür.
    Und jetzt ist die Haltung, ausgerechnet an so etwas festzuhalten - oder sich dem zu verweigern - einfach nur ewig gestrig.

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    1. Whoops... Noch schnell zum Stichwort Politikverdrossenheit:
      Interessant ist, dass diese nachlässt. Die junge Generation ist sehr viel interessierter und engagiert sich auch mehr. Damit zeigt sie uns, dass wir aus der vorherigen Generation einfach nur fett, faul und feige waren.
      Die Kids ändern nämlich schon jetzt etwas. Und auch wenn sie dazu das Internet benutzen, was wir vor zwanzig Jahren so noch nciht hatten, beweisen sie damit, welche Möglichkeiten offenstehen.

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