Ab und zu mal etwas ganz und gar über mich. Vielleicht,
um die Sichtweisen, die ich vertrete, doch noch in ein etwas anderes Licht zu
rücken. Aber das kann sich jeder selbst aussuchen. Ich stehe grundsätzlich zu
dem, was ich gesagt habe und auch dazu, wie es bei anderen ankommt. Selbst wenn
es diese anderen auf die Palme bringt.
Aber trotzdem ist das nicht gleichbedeutend damit, dass
ich zu tausend Prozent hinter allen Standpunkten stehe, die ich vertrete. Und
darum soll es hier jetzt gehen.
Ich bin ein ziemlicher Freak. Ich tue mich schwer damit,
eine bestimmte Position ähnlich inbrünstig zu vertreten, wie meine Mitmenschen
es mir oft vormachen.
Wer liest, was ich so vorbringe - oder noch besser: mich
live erlebt - wird das verwunderlich finden. Schließlich kann ich durchaus
flammende Reden halten. Und dabei auch manchmal sehr überzeugend sein.
Aber mich einer Sache ganz und gar zu verschreiben, liegt
mir dennoch nicht. Und das kommt so…:
Standpunkte sind wie wissenschaftliche Theorien oder
Glaubenssätze. Sie widersprechen einander oft und basieren meist nur auf
Teilwahrheiten oder Prinzipien, deren letztendliche Gültigkeit noch zu beweisen
ist.
Würde ich mich einem Standpunkt völlig verschreiben,
könnte ich dank meiner recht einnehmenden Persönlichkeit - wenn ich mir Mühe
gebe - für diese Sichtweise vielleicht sogar eine Menge erstreiten. Vielleicht
könnte ich eine Lanze für die Männer in der unseligen Debatte über Sexismus
brechen. Oder ich könnte etwas am Zeitgeist verändern, wenn es um das Thema
Behandlung von Triebtätern geht.
Aber würde ich mich einer Sache verschreiben, würde ich
aus dem Blick verlieren, welche Wahrheiten in dem stecken, was gegen diesen Standpunkt
steht. Und das ist mir ein entsetzliches Horror-Szenario
Das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, ist eine Dogmatisierung
von Sichtweisen. Leider ist das gleichzeitig eine sehr menschliche und sehr
verbreitete Sache.
Die Grundprinzipien des neuen Testaments beispielsweise
sind keine schlechte Sache. Aber die gesamte Glaubensrichtung weigert sich,
ihre Metaphern, Leitsätze und Sichtweisen zu modernisieren. Sie beharren auf
Formulierungen und Regeln, die teilweise zwei Jahrtausende alt sind.
Für Schafhirten und Fischer war das damals fein, aber für
eine globalisierte Gesellschaft mit Milliarden Mitgliedern braucht es andere
Ansätze. Und die können nicht aufkommen, wenn ‚das Wort Gesetz ist, wie es
geschrieben steht.‘
Ähnlich ist es mit wissenschaftlichen Theorien. Da waren
vor zwanzig Jahren diejenigen, die das Aussterben der Dinos dem Aufkommen der
Blütenpflanzen zuschrieben. Und diejenigen, die den Meteor für den Schuldigen
hielten. Und diejenigen, die sich weiterentwickelnde Säugetiere als Eierdiebe
im Verdacht hatten.
Heute weiß jedes Kind, das es der Meteor war. Und kaum
ein Kind weiß, dass es Knochenfunde von Dinos gibt, die auf über eine Million
Jahre nach dem Aussterben datiert wurden. Weswegen es offenbar doch ein wenig
mehr als der Meteor war. Was ja auch naheliegt, denn die anderen Faktoren haben
sicherlich eine Rolle gespielt und eine ganze Gattung von Tieren stirbt nicht
mal eben so aus. Und hat das ja auch nicht getan, denn Vögel sind schließlich
ihre Nachfahren…
Anyway…
Wenn Standpunkte sich verhärten und als die eine Wahrheit
betrachtet werden, werden sie zu Dogmen. Und Dogmen sind eine sehr schlechte
Sache.
Vor Jahrhunderten war das noch nicht ganz so schlimm wie
heute, weil sich die Welt nicht im Minutentakt geändert hat. Aber heute bräuchten
wir Menschen eigentlich eine fast hundertprozentige Flexibilität dessen, was
wir gerade als absolute Wahrheit ansehen. Wir müssten bereit sein, uns rasend
schnell anzupassen, weil dauernd Neues entdeckt wird. Und das liegt nicht in unserer
Natur.
Aber - und ich weiß, dass ich hiermit jetzt abartig
arrogant klingen werde - in meiner.
Ich weiß nicht, wieso ich anders bin, aber ich nehme neue
Fakten auch dann auf, wenn ich sie in einer Diskussion augenscheinlich in der
Luft zerpflücke. Und ich brauche oft nur eine kurze Zeitspanne, um schlüssige Punkte
wiederum in meine Sicht der Welt und Dinge zu integrieren.
Ich forsche gerne nach, wenn ich neue Infos erhalte. Ich
gehe den Sachen gerne auf den Grund und versuche, sie zu bestätigen oder zu
falsifizieren. Und ich denke sie auch oft gleich noch einen Schritt weiter.
Aber wichtig dabei ist vor allem, dass ich nichts abtue, was mir neu ist. Ich
überdenke es, selbst wenn ich es nach außen hin erst einmal abzutun scheine.
Aus diesem Grund halte ich mich tatsächlich für etwas
Besseres. Und diese Sichtweise bekomme ich immer wieder bestätigt, wenn ich meine
Erkenntnisse und Fähigkeiten dann zur Anwendung bringe. Was mir ganz persönlich
das Gefühl gibt, ich hätte eine Verantwortung, die ich trage.
Indem ich also auf meine eigene Weise bestimmte Dinge
thematisiere, versuche ich, die Denkmuster anderer aufzubrechen und ihnen neue
Perspektiven zu ermöglichen. Und dazu nehme ich auch durchaus Standpunkte ein,
die ich für unzureichend halte. Eben für diesen Moment. Für diese Diskussion oder
Aussage.
Natürlich habe ich eigene Sichtweisen. Aber im Gegensatz
zu dem, was ich so in die Welt posaune, sind die sehr individuell.
In meinem Kopf - ganz tief drinnen - existieren keine
Klischees oder Pauschalargumente, weil jeder einzelne Mensch ein ganz eigenes
Individuum ist. In jedem Menschen stecken aus meiner Sicht ein Adolf Hitler und
ein Mahatma Gandhi. Und weder das eine noch das andere ist ein Anlass zur
Beurteilung. Es ist, was einer daraus macht, was zählt.
Aber wenn man über Menschen spricht, gibt es dann doch
wieder Aspekte, die auf größere Gruppen zutreffen. Weil Gesellschaft und Traditionen
ein Gerüst vorgeben. Und über dieses Gerüst in Kombination mit typisch
menschlichen Reaktionen darauf lassen sich allgemeine Aussagen treffen.
Deswegen würde ich sagen, dass in meinen Worten durchaus
immer ein Körnchen Wahrheit steckt. Aber dass es am Ende ganz individuell
darauf ankommt, wie der Einzelne es aufnimmt und was er daraus macht.
Davon abzuleiten, dass ich diesen oder jenen Standpunkt absolut
vertrete, wäre einfach falsch. Aber ich lebe auch damit, dass es passiert. Weil
Menschen eben so sind.
Für diejenigen, die es interessiert, gilt also: Wie ich
wirklich bin, hängt davon ab, wie du zu mir bist. Ich werde darauf reagieren
und dir je nach Sympathie und geistiger Kompatibilität gegenübertreten.
Aber ich werde nur dann deine intellektuellen Standpunkte
zu irgendwelchen Themen in die Bewertung einfließen lassen, wenn du von ihnen
dein Leben bestimmen lässt und das Einfluss auf die Art hat, wie du mir
gegenübertrittst.
Wenn du ein Ausländer verprügelnder Skin bist, werde ich
dich dafür anscheißen, dass du Menschen verprügelst. Die Gesinnung dahinter ist
mir schnurz. Und wenn du ein typischer Alibi-Katholik bist, werde ich dich
dafür anscheißen, dass du ein Heuchler bist. Der Glaubensgrundsatz dabei ist
mir wumpe.
Was im Umkehrschluss bedeutet, dass ich niemanden ablehne,
nur weil er sich mit den Farben dieses oder jenes Vereins schmückt. Was
derjenige daraus macht, zählt. Und… Ja. Das bedeutet, dass ich lieber einen
Menschen mit pädophiler Neigung, der sich dessen bewusst ist und dagegen
ankämpft, zu meinen Freunden zähle, als jemanden, von dem ich weiß, dass er
sich taub gestellt hat, als seine Nachbarin verprügelt wurde, weil er ‚nicht in
die Sache reingezogen werden‘ wollte.
Für mich ist das logisch. Und nur das zählt.
Wenn ich also einen Standpunkt habe, der offenbar unverrückbar
ist, dann ist das eine gewisse Liebe zum Menschen im Allgemeinen.
Ich höre gern zu und studiere Menschen. Ich helfe ihnen
auch gerne. Aber ich befriedige auch meine Neugier dabei. Und ich bewerte
anhand von Kriterien, die nach meiner Erfahrung ziemlich wenig mit denen zu tun
haben, die andere Menschen anlegen.
Aber dafür erkenne ich auch üblicherweise den Menschen
hinter all den Plattitüden, die jeder immer mal wieder im Mund führt. Und das
ist mir wichtig.
Ich denke, ich habe nun eine ausreichend inkonsistente Schilderung
abgeliefert, um es dabei bewenden zu lassen. Wirklich wichtig ist es ja nicht
für Leute, die mir nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Und für
diejenigen, die das tun, gilt sowieso: Mit Ehrlichkeit kann man mich
beeindrucken, aber sie ist optional, weil ich ohnehin Gedanken lesen kann. Und
was ich da lese, wird letztendlich beeinflussen, was ich von jemandem halte.
;-P
In diesem Sinne…
…denk jetzt nicht an deine Leichen im Keller… Och… zu
spät… ;-D
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