Sorry für eine Weile ohne Neuigkeiten. Ich war einfach zu
abgelenkt, um etwas zustande zu bringen. Was mich allerdings nicht davon
abhält, all die kleinen Dinge weiter anzusammeln, die mir meine Dafuq-Momente
bescheren…
Ich bin nun mittlerweile schon seit ungefähr zwei Jahren
aktiver Zuschauer auf YouTube. Davor hab ich das Portal vielleicht einmal im
Monat aufgesucht, heute eher einmal am Tag oder mehr.
Irgendwie wundert es mich, dass mir so lange entgehen
konnte, was für tolle, aufregende und interessante Beiträge es da gibt. Aber
irgendwie auch nicht, denn wer es als YouTuber in die Massenmedien anderswo
schafft, ist in 101% der bisherigen Fälle völlig uninteressant für mich. Die
Authentizität, die ich bei einigen YouTubern so schätze, ist dann ein für alle
Mal Geschichte und das Big Business übernimmt.
Was ich den jeweiligen Leuten gerne gönne. Aber dann halt
ohne mich als Zuschauer, denn gescriptete Scheiße sehe ich sogar auf den
Pay-TV-Sendern noch genug. Obwohl ich die ÖR’s und das Free-TV schon beharrlich
ignoriere…
Ich hatte und habe viel Spaß auf YouTube. Ich freue mich
beispielsweise auf jedes Video von Laina aus den Staaten. Das ist das Mädel,
das als ‚Overly attached Girlfriend‘ für ihr irres Starren berühmt wurde. Und
dieses Starren hat sie noch immer drauf. Und sie kombiniert es mit einem
ziemlich coolen Sinn für Selbstironie.
Ein Beispiel unter Dutzenden. Und ich zweifle nicht
daran, dass neue kommen werden, die mich begeistern, während alte in der
Versenkung verschwinden oder erfolgreich und austauschbar werden.
Aber neben den YouTubern selbst gibt es auf der Plattform
noch etwas anderes bemerkenswertes. Erst mal wertneutral formuliert…
Die Rede ist von Hypes.
Jeder kennt den Gangnam Style Hype. Und ich fand das so
witzig (und einige der Parodien darauf so gut), dass ich noch immer nicht die
Schnauze voll davon habe. Zumal der Psy ein sympathisches Kerlchen ist.
Noch besser hat mir allerdings der ‚Call me maybe‘ Hype
gefallen. Niedliche, schöne Geschichte, süßes, fröhliches Lied und sehr geile
Parodien darauf. Auch davon kann ich - ebenso wie vom Original - kaum genug
kriegen.
Der sogenannte Harlem Shake war dann eher etwas zum
gelegentlichen Schmunzeln. Etwas zu albern für meinen Geschmack, wenns nicht
gerade sehr gut gemacht ist. Aber immer noch erträglich…
Was mir allerdings tierisch auf die Nüsse geht, ist der
neueste Trend: Draw my life.
Ich meine… Der neue Trend auf einer Plattform, wo jeder
die Möglichkeit hat, sich durch bewegte Bilder auszudrücken und frei oder wohl
überlegt vor der Kamera seine Meinung zu sagen, ist Geschmiere auf einem
Whiteboard?
Ernsthaft??? Dafuq!?!
Ich will gar nicht sagen, dass mich die individuellen Lebensgeschichten
nicht interessieren. Zugegebenermaßen hat es bei vielen letztlich was von der
Biografie von Daniel Küblböck. Geschrieben mit irgendwas unter 20 und berichtend
von einem Leben voller Mühsal und Qualen, die den betreffenden Menschen zu dem
machten, was er oder sie…
Blablabla… FUCK that!
Die meisten Twens haben ihr ganzes verficktes Leben noch
vor sich. Wenn meine Oma von ihrem Leben erzählt, steckt da was hinter, aber
wie viel Mühsal und Schrecken hat denn der durchschnittliche europäische
Teenager so erlebt?
Vor allem der, der damit auch bereit ist, an die
Öffentlichkeit zu treten.
Ohne jetzt Dinge wie Mobbing verharmlosen zu wollen,
packe ich mir an den Kopf, wenn in praktisch jedem dieser grafisch mehr an die
70er als an das neue Jahrtausend erinnernden Videos fast unweigerlich der
Moment kommt, wo die Musik sich verändert.
Ich muss dann an den Film American Dreamz denken, wo
unter anderem die Sache mit dem White Trash so schön auf die Schippe genommen
wurde. Herzschmerz für die Tränendrüse. Und wenn keiner da ist, wurde das arme
Tüddi eben im Kindergarten ausgegrenzt oder hatte in der Pubertät eine Phase,
wo Selbstmordgedanken eine Rolle spielten.
Was mich den verzweifelten Wunsch verspüren lässt, darauf
hinzuweisen, dass wir verfickt noch mal ALLE in der Pubertät mal zutiefst
verzweifelt waren. Das ist die Zeit der ersten Liebe und wenn da was endet, ist
das ein Weltuntergang. Das ist fucking NORMAL. Und es geht fucking vorüber…!
Okay… Ruhig Brauner…
Nicht jeder, der von seinem Leben erzählt, ist ein
Lutscher, der glaubt, die eigenen Erfahrungen wären schrecklicher als
beispielsweise zwanzig zu werden und nicht einmal im Leben satt gewesen zu
sein, wie es manchem Kind aus Afrika ergeht.
Es gibt da Leute, die was zu erzählen haben. Von
Homosexualität und Coming-outs beispielsweise. Und davon, wie sie und
vielleicht auch andere damit zurechtkommen können, den Erwartungshaltungen der
Welt entsprechen zu wollen, aber nicht zu können.
Aber… Was zum Henker habe ich davon, wenn die mir das mit
Strichmännchen aufzeichnen, dafuq???
Ich will Leuten, die etwas Gehaltvolles zu erzählen
haben, in die Fresse gucken. Dann sehe ich nämlich auch, ob die sich wichtig
machen. Ob sie lügen oder sich was zusammendichten.
Oder ich werde gekonnt belogen, wenn ich es nicht merke.
Was eine Kunst für sich darstellt und von mir honoriert wird. Wenn ich
erfolgreich ins Gesicht gelogen bekomme, werde ich selbst dann noch beeindruckt
sein, wenn die Lüge irgendwie auffliegt.
Stichmännchen hingegen…
Die sagen GAR NICHTS aus. Und außerdem sind sie nicht
sehr gut geeignet, wirklich gehaltvolle Themen zu visualisieren.
Überhaupt ist Visualisierung das Einzige, was mir bei
diesen dämlichen, beschleunigten Zeichnungen auf Whiteboards einfällt. Und wenn
die Leute von heute das brauchen, dann wundert es mich nicht, dass keiner mehr
liest. Dafür braucht man nämlich ebenso Fantasie, wie für das Einfühlen in
Situationen, die anderen zugestoßen sind.
Whiteboards und ‚Draw fucking something‘ sind toll, wenn
es darum geht, Vorschülern Dinge begreiflich zu machen. Aber sie sind schon
bedenklich, wenn sie als Schulungsmittel für Erwachsene benötigt werden, weil
die zu dämlich sind, grundlegende Sachverhalte anders zu begreifen.
Wenn es jetzt Einzug hält, dass jeder seine Geschichten
und Erzählungen auf diese Weise bildlich macht, werde ich mich vielleicht doch
erschießen. Einfach, weil ich die Welt dann nur noch ertragen kann, indem ich
sie entweder von den Menschen oder die von mir befreie…
Jaja… Ich dramatisiere. Und?
Mir gehen diese Zeichnungen wirklich auf den Zeiger, weil
sie überflüssig sind. Wenn diese Leute toll zeichnen könnten und es irgendwie
Kunst wäre… Aber meistens ist es einfach nur Geschmiere und verdeutlich das,
was sie erzählen.
Aber dabei geht eben der Blick ins Gesicht verloren. Und
deswegen kann mich keine ‚Draw my life‘ Story zu Tränen rühren. Oder auch nur
überhaupt irgendwie anrühren. Im Gegensatz zu Leuten, die sich vor eine Kamera
setzen und mir ins verfickte Gesicht sehen, während sie erzählen.
Auch da kann man zwar schneiden oder es neu versuchen,
wenn man es versemmelt, aber es bleibt eine gewisse Unmittelbarkeit. Es bleibt
eine Verbindung zum Erzähler und man sieht, wenns ans Eingemachte geht. Oder
eben auch, ob da mehr heiße Luft produziert wird.
Und am Allerwichtigsten: Wenn es dann ans Ende geht und
die ganze Friede-Freude-Eierkuchen-Scheiße kommt… Von wegen, wie dankbar man
doch allen Leuten sei und wie man mit den eigenen Videos anderen helfen wolle,
weil man selbst mal Hilfe brauchte…
Wenn dieser Mist kommt, dann sieht man es von Angesicht
zu virtuellem Angesicht eben auch. Dann sieht man, ob die Person nur labert
oder ob auch was dahinter steckt. Ob da wirklich Dankbarkeit ist. Ob da
wirklich auch der Wunsch zu helfen vorhanden ist.
Nicht missverstehen: Ich verlange von keinem, solche Wünsche
zu verspüren. Aber wer das Maul aufreißt und die Behauptungen aufstellt, der
soll mir - dafuq - auch dabei ins Auge sehen. Oder eben die Fresse halten und
nicht rumlügen.
Für mich ist ziemlich offensichtlich, dass all die Leute,
die erst jetzt anfangen von ihrem Leben zu erzählen, wo sie nicht direkt dabei
gefilmt werden, vorher gute Gründe hatten, nichts zu erzählen.
Einige mögen den direkten Blick ins Gesicht scheuen, weil
die Erinnerungen sie wirklich belasten und sie nicht vor der Kamera heulen
wollen. Aber andere wissen ganz genau, wie wenig traumatisch ihre ach so
traumatischen Erlebnisse wirklich sind. Aber hingeschmiert wirkt das gleich
viel heftiger.
Wer also was zu sagen hat - und das zeigt sich auch immer
wieder an Beispielen von bestimmten YouTubern - der sagt es auch. Offen und
direkt - und manchmal nicht im perfekten Format oder sogar unter Tränen und
deswegen eben auch wirklich authentisch - in die Kamera.
Und nicht auf dem Whiteboard mit Filzstiften, dafuq!
Abschließend will ich noch sagen, dass ich durchaus gerne
mehr von Leuten erfahre, die mich gut unterhalten. Selbst einem 15jährigen höre
ich durchaus zu, wenn der von seinen Traumata berichtet. Selbst wenn es Dinge
sind, die jeder erlebt hat, sind sie doch für diesen Menschen jetzt gerade
welterschütternd.
Ich höre zu, lächele in mich hinein und - wenn es eine
reale Situation ist - zeige Mitgefühl. Und ich verpacke das ‚in zehn Jahren
lachst du darüber‘ so schonend wie möglich, wenn ich es überhaupt anbringe.
Aber Wichtigtuerei nervt mich tierisch. Und auf einen
fahrenden Zug aufzuspringen, weil alle das machen, ist ziemlich wichtigtuerisch.
Es sei denn, es wäre eine der seltenen Versionen, in denen jemand offen zugibt,
einfach nichts ausreichend Dramatisches erlebt zu haben, um jetzt einen Mega-Film
davon zu machen.
Oder aber…
Vielleicht - nur vielleicht - sollte ich auch mal ein ‚Draw
my life‘ machen.
Nur… Wie zeichnet man kindgerecht, wie man dabei war, als
jemand angeschossen wurde? Oder wie man für Geld eine Prostituierte geheiratet
hat? Oder wie man live sehen musste, was Elend und Hunger in der Dritten Welt
wirklich bedeuten. Angeschnitten, ungekürzt und nicht für den sensiblen
Europäer aufbereitet. Inklusive des Gestanks nach Eiter, Scheiße und Tod, der da
vorherrscht, wo es Menschen WIRKLICH dreckig geht…?
Ich denke, ich lasse das lieber.
Schließlich will ja niemand Wahrheiten erfahren. Schöne
Tränendrüsengeschichten zum bald wieder vergessen und eine Runde Mitleid haben
sind da wohl die Schmerzgrenze…
In diesem Sinne…
…gehe ich jetzt mein Leben nicht zeichnen, sondern leben!
;-P
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